Sonntag, 14. April 2024

14.45 – 15.45 Uhr

Chronopharmakologie – Medikamentengabe rund um die Uhr
Prof. Dr. Thomas Herdegen
Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie, Kiel

Alle wichtigen körperlichen Funktionen gehorchen rhythmisch-oszillierenden Netzwerken, deren Zykluslänge entweder nur wenige Stunden (Freisetzung von Cortison), 24 Stunden (Schlaf-Wach-Rhythmus, Aktivität des Sympathikus und Parasympathikus), einige Wochen (Menstruations-Zyklus) oder Monate (sommerliche Aktivität versus winterliche Depression) betragen können.

Diese Rhythmizität ist ganz wesentlich für die Optimierung der Körperfunktionen. So arbeitet die Energiespeicherung der Leber am Tag und geht der zu erwartenden Nahrungszufuhr in Bereitschaftsstellung voraus, während nachts auf Energiefreisetzung und Umverteilung umgeschaltet wird.

Zerstörungen dieser Rhythmizität durch Krankheit oder Lebensstiländerung führt unweigerlich zu körperlichen Schäden. Dies trifft nicht nur für einen gesunden Schlaf zu, der essentiell für Gedächtnisbildung und Optimierung der kognitiven Leistungsfähigkeit ist.

Entsprechend sollte auch die Gabe von Medikamenten auf diese körperliche Rhythmizität Rücksicht nehmen: so müssen Blutdrucksenker unbedingt die fehlende nächtliche Sympathikus-Absenkung bei kardialen Erkrankungen abfangen oder Antidiabetika die morgendliche Hyperglykämie bei Diabetikern senken. Weitere Beispiele sind das problematische zirkadiane Regiment der Cortison-Gabe, das abendliche Melatonin bei Insomnie oder zeitversetzt beim Jetlag, die Medikamentengabe bei Schichtarbeitern oder Hemmung der H2-getriggerten Magensäure-Freisetzung spät abends.

Und nicht zu vergessen: viele Krankheiten haben ein tageszeitliches Maximum und Minimum: die nächtlichen Asthmaanfälle zwischen 3 bis 4 Uhr morgens, die rheumatischen Arthritiden morgens ab 6 Uhr oder der Tod mit seinem morgendlichen Maximum, während zur happy hour zwischen 17 und 18 Uhr am wenigsten gestorben wird.

Dieser Vortrag wird zunächst in die spannenden Welten der inneren Uhren und ihre Synchronisation mit den äußeren Zeitgebern sowie ihrer gegenseitigen Beeinflussung einführen. An zahlreichen Beispielen wird dann eine funktionsgerechte chronopharmakologische Applikation erläutert.

Bildnachweis: privat